Top-Job in Brüssel geht an einen Rechtspopulisten: Erstmalig wird mit Raffaele Fitto, der zur Partei „Brüder Italiens“ von Italien Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehört, ein Rechtspopulist ein Spitzenamt in der EU-Kommission erhalten. Fitto wird geschäftsführender Vizepräsident der Kommissionsbehörde und soll für Wirtschaft und die Corona-Wiederaufbauhilfen in Höhe von mehr als 700 Milliarden Euro zuständig sein.
Bei der Auswahl der 26 EU-Kommissare hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach WELT-Informationen bereits erste wichtige Entscheidungen getroffen. Das Gesamtpaket für die neue Führungsriege der Europäischen Kommission wird die deutsche Christdemokratin voraussichtlich bis spätestens Ende dieser Woche verkünden. Fest steht aber bereits jetzt: Von der Leyen wird neben der designierten EU-Außenbeauftragten vier weitere geschäftsführende Vizepräsidenten (Executive Vice Presidents) neben sich haben. Dazu kommen zwei weitere EU-Kommissare, die von der Leyen wegen der Wichtigkeit ihrer Dossiers direkt zugeordnet sind. Die bisherige Ebene der Vizepräsidenten (derzeit vier EU-Kommissare) wird abgeschafft.
Nach dem Willen von der Leyens soll der konservative Lette Valdis Dombrovskis als geschäftsführender Vizepräsident die Themen „Erweiterung und Wiederaufbau der Ukraine“ besetzen. Die sozialistische Politikerin Teresa Ribera Rodriguez, bisher Ministerin für ökologischen Wandel in der Regierung von Pedro Sanchez in Madrid, soll als geschäftsführende Vizepräsidentin das Thema „Transition“ zuständig sein. Sie wird in der Kommissionsbehörde federführend die Gesetzgebungsvorschläge zur Transformation im Sozial-Digital- und Ökologiebereich begleiten. Der liberale französische Politiker Thierry Breton ist für die Themen „Industrie und strategische Autonomie“ vorgesehen. Neuer EU-Kommissar für Handel wird voraussichtlich der Niederländer Wopke Hoekstra. Der neue EU-Kommissar für Energie soll der bisherige tschechische Industrieminister Josef Sikela werden.
Zwei Themen, die politisch in den kommenden Jahren von größter Bedeutung sein dürften, werden direkt bei der Kommissionschefin angebunden sein: Der Slowake Mario Sefkovic soll für Bürokratieabbau und interinstitutionelle Fragen zuständig sein, der Pole Piotr Serafin für Haushaltsfragen. Von der Leyen will die Deregulierung zu einem ihrer Schwerpunktthemen in den kommenden Jahren machen. Serafin wiederum wird die Verhandlungen über den neuen siebenjährigen EU-Haushalt führen müssen – ein Drahtseilakt, weil Brüssel angesichts neuer Herausforderungen immer mehr Geld fordert, die Mitgliedstaaten aber nicht mehr ausgeben wollen. Alle Kandidaten müssen im Herbst noch vom Parlament angehört und bestätigt werden. Klar ist jetzt schon: Von der Leyen wird in ihrer zweiten Amtszeit aller Voraussicht nach einem männerdominierten Kollegium vorsitzen müssen. In der ersten Nominierungsrunde für das Spitzengremium der Kommissare benannten lediglich 8 der 25 vorschlagsberechtigten EU-Staaten eine Frau. Dies wurde an diesem Montag mit der Entscheidung Belgiens für seine Außenministerin Hadja Lahbib offiziell.
Alle anderen vorschlagsberechtigten Länder hatten bereits bis zum vergangenen Freitag eine Vertreterin oder einen Vertreter für das Kollegium nominiert. Nicht beteiligt waren Deutschland und Estland, weil sie mit von der Leyen und der bereits nominierten Außenbeauftragten Kaja Kallas schon Spitzenpolitiker für das Kollegium stellen. Der Führung der EU-Kommission sind rund 32.000 Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen.
Die Welt
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