„Die Integration ist hier gescheitert“
Am Donnerstag waren noch die Blumen besprüht und die Hecken gerade geschnitten worden, als Vorbereitung auf den Nationalfeiertag in Frankreich, den die Hauptstadt mit einem großen Fest zelebriert. Hunderte französische Flaggen wehen am 14. Juli sanft in der Pariser Morgenluft. Der Tag markiert den Sturm auf die Bastille im Jahr 1789, der den Beginn der Französischen Revolution symbolisiert und für die Franzosen „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ verkörpert. Tausende Menschen strömen auf die Champs-Élysées, um die traditionelle militärische Parade zu bewundern.
Etwa 6.500 Menschen marschieren mit, begleitet von 94 Flugzeugen und Hubschraubern, 219 Bodenfahrzeugen, 200 Pferden und 86 Hunden. Indien ist der Ehrengast der diesjährigen Parade, an der Premierminister Narendra Modi neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron teilnimmt.
Dabei waren die Straßen, auf denen heute gefeiert wird, vor kaum zwei Wochen Schauplatz apokalyptischer Krawalle. Letzten Monat wurde der 17-jährige Nahel Merzouk in Nanterre, einem Vorort von Paris, während einer Polizeikontrolle getötet. Es folgten heftige Ausschreitungen, die das Land in Gewalt und Entsetzen versetzten. „Ich kann es nicht verstehen, wenn Demonstranten in Geschäfte einbrechen oder Autos anzünden“, sagt Gaulthier B. Er steht am Absperrgitter vor dem Arc de Triomphe, obwohl er normalerweise nie die Parade beobachtet. Franzosen würden den Nationalfeiertag lieber auf dem Land verbringen, um das Chaos in der Stadt zu vermeiden. Aber heute hat er eine Ausnahme gemacht, da ihn ein Freund aus Italien besucht.
Gaulthier B. kommt aus Lyon, lebt aber schon seit fünf Jahren in der Hauptstadt. Er erträgt die Situation allmählich nicht mehr und möchte Paris verlassen. „Ich glaube, dass viele Franzosen mit afrikanischen Wurzeln sich weder als Franzosen noch als Afrikaner fühlen“, sagt der 26-Jährige. Der Versuch, ein multikulturelles Land zu schaffen, habe nicht funktioniert. „Integration ist das Wichtigste, um das sich die Regierung kümmern sollte“, und daran sei der Staat gescheitert. Die Folgen einer unkontrollierten Migration spüre er jetzt im Alltag. „Es ist kein Wunder, dass immer mehr Länder in Europa nach rechts rücken“, sagt Gaulthier und zieht weiter.
Während der Parade gibt es vereinzelte Proteste in der Innenstadt, aber die Lage bleibt ruhig. Das liegt vielleicht auch daran, dass etwa 130.000 Polizisten im ganzen Land im Einsatz sind. Etienne Faguier, ein Architekt, sitzt auf einem Campingstuhl an einem Baum im Stadtviertel Montparnasse. Seit zwei Tagen befindet er sich im Hungerstreik und protestiert für eine „große Demokratie“. Ihm liegt die Zukunft seiner beiden Kinder am Herzen. „In den letzten Jahren hat sich das Land immer mehr in einen autoritären Staat verwandelt“, sagt der 36-Jährige. Faguier sieht allgemein besorgniserregende Zukunftsaussichten in Europa. Er möchte die Republik verändern und die Bürger wieder an die Macht bringen.
bz
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