Eine Äußerung vom Virologen Christian Drosten lässt den Schluss zu, dass er die Deutschen für zu dumm hält, um sich impfen zu lassen.
Immer deutlicher zeigt sich, dass die Bereitschaft zur Impfung auch vom Bildungsgrad und der Gesellschaftsstruktur abhängt. Wer nun an den „Pisa-Schock“ und den jüngeren Teil der Bevölkerung denkt, liegt jedoch falsch. Wie Christian Drosten am Beispiel Dänemark verdeutlicht, sind insbesondere die älteren Mitbürger gefordert, Bildungs- und Informationslücken zu schließen, um durch qualifiziertes Quellenstudium das Seriöse vom Unseriösen unterscheiden und die richtige Entscheidung in Sachen Corona-Impfung treffen zu können. Was im Fall von Drosten als „richtig“ gilt, kann man sich denken.
„A, E, I, O, U. Ich bin Analphabet, ich bin Analphabet. A, E, I, O, U. Was soll denn das bedeuten? Ich habe keine Ahnung!“, sang 1981 The Wirtschaftswunder, eine der besten Bands der Neuen Deutschen Welle, der bedauer- und unglücklicherweise die ganz große Karriere versagt blieb. Die Leute hörten halt lieber „Ich geb Gas, ich will Spaß!“ oder das Lied von den „99 Luftballons, auf ihrem Weg zum Horizont“. Immerhin fragte Nena vorher höflich, wenn auch duzend: „Hast du etwas Zeit für mich? Dann singe ich ein Lied für dich.“ Aber unsereins war dann zeitlich doch immer ziemlich eingespannt, sodass es sich leider nicht ergeben hat.
Doch zurück zu Wirtschaftswunder und „Analphabet“: Handelt es sich dabei nicht um die heimliche Nationalhymne der Deutschen? Zumindest eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung. Ungebildete, die nicht Überzeugung zur Impfstation treibt, sondern eine Bratwurst aufs Haus unter dem Motto „Eine Wurst für einen Piks“ — sodass sich zum klassischen Würstlstandangebot neben Curry- und Burenwurst, Frankfurter, Wiener, Nürnberger, Käsekrainer und Debreziner nun die Impfwurst gesellt.
Und das, obwohl eingehend informiert wird und sich Faktenfüchse und Faktenchecker an Fake News abarbeiten und sich dabei ausgeklügelte Namen geben wie Correctiv, das nach „Korrektur“ und „objektiv“ tönt, oder wortspielend aus dem „Volksverhetzer“ den Volksverpetzer machen. Ironie, die natürlich nur die Klugen, die Gebildeten, die Weltläufigen verstehen, denen die Welt eben nicht zu kompliziert geworden ist wie den schwurbelnden Schwurblern, die simple Verschwörungserklärungen suchen, irgendwo zwischen Freimaurern, Jüdischem Weltkongress und Schwarzer Hand. Doch mit schlauer Ironie hat man hierzulande naturgemäß schlechte Karten, denn die Menge der Gebildeten ist in Deutschland einfach zu klein. Ganz im Gegensatz zu Dänemark.
Drosten und die Ungebildeten
Wie sprach doch Christian Drosten:
„Die Impfquote bei den Älteren ist ein großer Unterschied zu beispielsweise Dänemark. Ich glaube, man kann das ein bisschen verallgemeinern: In den sehr adhärenten Gesellschaften in Skandinavien herrscht ein sehr hoher Informations- und Bildungsgrad, viele Leute verstehen einfach, wofür die Impfung gut ist, es herrscht weniger Zögerlichkeit bei den Impfungen.“
Während Sie, lieber ungebildeter deutscher Leser — Pardon, gendergerecht: liebe ungebildete Person mit deutscher Staatsangehörigkeit, die liest —, gerade mal nachschlagen, was „adhärent“ bedeutet, zitiere ich inzwischen weiter, denn Drosten legte nach: „Eine der wichtigsten Gewohnheiten gebildeter Menschen ist das Überprüfen von Quellen. Das vermeidet Irreführung und erlaubt Einblicke in die Glaubwürdigkeit von Nachrichten.“ Angesichts dieser Äußerungen des Starvirologen fragte Euronews entsetzt: „Deutsche zu dumm zum Impfen?“ Tja, schaut so aus. Zumindest einige. Freaks ohne Piks. Die Pandemie der Ungebildeten. Insbesondere unter den Älteren. Beige Esel statt graue Panther?
Vernünftige Musiker
Aber es gibt auch Lichtblicke, insbesondere in der Musikerzunft. Jüngste Beispiele: Peter Brings von der gleichnamigen Kölner Mundart-Band möchte keine Ungeimpften bei seinen Konzerten haben. Er sagte: „2G ist die einzige Chance, wie wir noch unseren Arsch retten können.“ Er wolle niemanden zur Impfung zwingen, aber:
„Es kann ja nicht sein, dass die Mehrheit sich impfen lässt und sich an alles hält. Und wegen ein paar Idioten sollen wir dann nicht mehr unser Grundrecht ausüben können? Da läuft doch was schief. (…) Ich schau mir an, wie die Kanzlerkandidaten um das Thema herumeiern, alle versuchen es mit Überzeugen statt mit Zwang. Ob das wirklich zum Ziel führt, ist dann noch die Frage. (…) Doch unser Überleben — und das der gesamten Kultur — ist abhängig davon, dass wir wieder zusammenkommen können. Für uns als Brings war es mehr als eine Spritze in den Arm. Es war die Hoffnung auf Erlösung und ein Zeichen der Solidarität. Auch wenn es weh tut, den ein oder anderen Fan zu vergraulen. Es wird der Tag kommen, an dem es heißt: 1G — alles OK! Tut auch gar nicht weh!“
Wie stellte schon Pumuckl fest: „Was sich reimt, das stimmt.“
Doch noch schöner formuliert es eigentlich Ex-Rosenstolz-Sängerin AnNa R., aktuell bei der Band Gleis 8: „Ihr Lieben, den nachfolgenden Beitrag bitte teilen, was das Zeug hält! Unzählige Fans unzähliger anderer Künstler machen das genau auch jetzt in diesem Moment!! Lasst uns helfen, auf geht‘s und: LET‘S IMPF!!!“ . Na also, es geht doch. Und Frau R. drückt es auch noch so ungemein bildungssprachlich und bilingual aus.
Alenas Ethik
Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, versucht ihr Bestes und erhielt dafür völlig zu Recht den mit 30.000 Euro dotierten Deutschen Nationalpreis 2021. Die 43-Jährige wurde für „ihren Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Coronakrise geehrt“, teilte die Deutsche Nationalstiftung in Hamburg mit. Der Stiftungsleiter, Thomas Mirow, lobte den Ethikrat. Dieser wirke „Vorurteilen und Misstrauen wirksam entgegen und stärkt das Vertrauen in der Gesellschaft“. Eben.
Wie sehr sich Frau Buyx für den „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ engagiert, zeigt doch ihre Äußerung, mit der persönlichen Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, stelle man sich außerhalb der Solidargemeinschaft.
Zudem erklärte sie bezüglich Ungeimpfter:
„Die Solidargemeinschaft macht mir ein kostenloses Angebot, dass ich mich schützen kann. Ich habe all die Informationen, die ich brauche, die Impfung ist 4,3 Milliarden Mal verimpft worden weltweit. Wir wissen alles über die Sicherheit. Und ich mache das trotzdem nicht. Und jetzt möchte ich aber, dass die Solidargemeinschaft mir dennoch meinen Restaurantbesuch ermöglicht. Das funktioniert dann irgendwann nicht mehr“
News.de schreibt begeistert:
„Schlechte Nachrichten für alle Herren und Damen, die dem Charme von Alena Buyx hoffnungslos erlegen sind: Die hübsche Wissenschaftlerin ist bereits vergeben. Alena Buxy (sic!) ist mit Mann Josef Lentsch verheiratet. Der politische Berater und Entrepreneur fühlt sich von dem Erfolg seiner Frau keinesfalls bedroht. Im Gegenteil: Auf Twitter teilt er die Freude über seine erfolgreiche Ehefrau stolz mit seinen Followern“
Da fehlt eigentlich nur noch ein Satz im Bild– oder MOPO-Stil wie: „Alena Buyx — so heiß kann Ethik sein.“ Und was ist eigentlich ein „Entrepreneur“? Liebe News.de! Wir befinden uns in Deutschland. Also bitte nicht so kompliziert! Die Impfstoffe betreffend konstatierte Frau Buyx ja: „Wir wissen alles über die Sicherheit.“ Doch da ist Miss Ethik bedauerlicherweise in der Hektik des Alltags was durchgerutscht, heißt es doch in Pfizers geleakten Verträgen mit den Nationalstaaten:
„Der Käufer erkennt an, dass die langfristigen Wirkungen und die Wirksamkeit des Impfstoffs derzeit nicht bekannt sind und dass der Impfstoff unerwünschte Wirkungen haben kann, die derzeit nicht bekannt sind.“
Na ja, geschenkt, kann schon mal passieren, wenn man neben der Arbeit auch noch zu Anne Will, zum ZDF-Morgenmagazin MOMA, zu SWR1 Leute, zu DAS! und zu Markus Lanz muss. Ja, genau, Markus Lanz, bei dem des Öfteren Personen eingeladen werden, deren Meinungen durchtränkt sind von Menschenfeindlichkeit. Gäste eben wie Hendrick Streeck oder Alexander Kekulé ‒ Sie wissen schon, dieser Hallenser Biologe, der nichts publiziert hat. Oh, und Jan Böhmermann war auch schon mal da.
Danish dynamite
Ja, und nun macht Dänemark auf, die „letzten Coronamaßnahmen fallen weg“, und die Dänen sind „in Feierlaune“, berichten ARD und ZDF, und die taz schilderte unter der Überschrift „Freiheitseuphorie in Dänemark“ einen Konzertabend vom „ersten Wochenende nach der vollständigen Aufhebung der Corona-Restriktionen in Dänemark“ folgendermaßen:
„50.000 drängten sich am Samstagabend im ‚Parken‘, der Nationalarena in Kopenhagen, zum Konzert der Band ‚The Minds of 99‘. Von ‚vollkommener Ekstase‘ berichtet die Tageszeitung Politiken, von einem ‚historischen Abend‘, bei dem ‚geweint, gebrüllt, gesungen und getanzt wurde‘: ‚Eines der euphorischsten dänischen Konzerte überhaupt‘“ (7 bis 9).
Und die Deutschen — Pardon, gendergerecht: Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit — drücken sich an der Scheibe dieser Party-Location ihre hinter versifften hellblauen OP-Masken verborgenen Nasen platt wie Lümmel aus der letzten Reihe, die einen Verweis erhalten haben. Es fühlt sich so unwürdig an und erinnert an die Fußball-Europameisterschaft 1992, als Deutschland im Finale Dänemark unterlag. Dabei hatten die Dänen sich gar nicht für das Turnier qualifiziert, sondern rückten für das aufgrund des Bürgerkriegs auf dem Balkan und folgenden UN-Sanktionen von der UEFA gesperrte Jugoslawien nach.
Einige dänische Spieler lagen bereits an Mittelmeerstränden oder packten gerade die Koffer für den Urlaub, und der Trainer wollte eigentlich seine Küche renovieren. Und dann glitten die Dänen unter dem Motto „We are red, we are white, we are Danish dynamite!“ im Flow durchs Turnier, tranken nach Spielen Bier, gingen gar einmal zu McDonald’s essen — und schlugen am Ende „uns“, die teutonische, nichts dem Zufall überlassende Fußball-Maschine, im Endspiel 2:0. Verloren gegen ein Team Big-Mac-fressender Heimwerker. Es war so demütigend. Und so fühlt es sich jetzt wieder an.
Aber wer nicht hören will, muss eben fühlen. Oder eigentlich: Wer den Piks nicht fühlen will, muss zusehen.
Denn wie schrieb die taz, den dänischen Gesundheitsminister Magnus Heunicke zitierend: „Eine entscheidende Rolle habe die Impfbereitschaft gespielt. Wenn es Dänemark an etwas gefehlt habe, dann nicht an Impfwilligen, sondern zeitweise an Impfstoff.“ Tja, aber die Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit sind selber schuld, denn sie wollen die Wahrheit nicht zur Kenntnis nehmen — obwohl die bereits erwähnte AnNa R. schon zu Rosenstolz-Zeiten sang:
„Wahrheit ist doch nur was für Idioten.“
Quelle: rubikon.news, von Thomas Castellini
Dieser Text druckt ausschließlich die Meinung des Autors aus. Fachtexte zum Thema Gesundheit oder medizinische Studien sollen auf keinen Fall eine Untersuchung oder Konsultation bei Ihrem Arzt ersetzen.