Ausgerechnet das NATO-Mitglied Türkei will in die BRICS aufgenommen werden – jene Organisation, die Russlands Präsident Wladimir Putin zum antiwestlichen Bündnis formen möchte. Nun heißt es, dass die Aufnahme gescheitert sein soll. Ein Mitglied hält demnach nichts vom Vorstoß Ankaras.
Die Bestrebungen der Türkei, in die unter Vorherrschaft von Russland, Indien und China stehende BRICS-Organisation aufgenommen zu werden, sind im Westen zwar zähneknirschend registriert worden – ein großer Aufschrei aber ist ausgeblieben. Der US-Botschafter in der Türkei, Jeff Flake, sagte der türkischen Zeitung “Daily Sabah” im Juni, er hoffe zwar, dass die Türkei nicht der BRICS beitreten werde, beschwichtigte aber sogleich: Ein solcher Schritt würde nichts an Ankaras Ausrichtung auf den Westen ändern. Flakes Hoffnungen haben sich nun wohl erfüllt.
Der Insider Sinan Ülgen von der US-Denkfabrik “Carnegie Endowment for International Peace” sagte der “Bild”-Zeitung, es sei beim jetzigen BRICS-Treffen in Russland nicht mal zu einer Abstimmung über die Aufnahme der Türkei gekommen. Der Grund: Indien soll den Beitritt wegen Ankaras guter Beziehungen zum verfeindeten Pakistan verhindert haben. Die nötige Einstimmigkeit sei so nicht zu erreichen gewesen. In NATO und EU dürfte dies wohlwollend registriert werden. Offiziell ist jedoch noch nichts zu einem Scheitern verlautet worden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan argumentierte in der Vergangenheit, sein Land wolle an allen wichtigen Plattformen teilnehmen – darunter auch BRICS. Die Türkei-Expertin und ehemalige ukrainische Diplomatin Jewgenija Gaber von der Denkfabrik Atlantic Council sah in einem Beitrag im “IPS Journal” vor allem wirtschaftliche Gründe für die BRICS-Bestrebungen. Die Türkei kämpft nach wie vor mit einer massiven Inflation, die heimische Währung Lira hat stark an Wert verloren.
“Ankara geht davon aus, dass die Ausweitung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Brasilien, Indien, China und anderen großen Schwellenländern den Zugang zu neuen Märkten ermöglichen und neue Investitionen ins Land bringen würde”, so Gaber. Ähnlich wie US-Botschafter Flakes hätte aber auch die Türkei-Expertin eine mögliche Aufnahme in die BRICS nicht als Abkehr vom westlichen Kurs Ankaras verstanden. Vielmehr hätte es der “Beständigkeit des außenpolitischen Kurses” der türkischen Regierung entsprochen, so Gaber, der auf drei Grundprinzipien beruhe: “Pragmatismus, Ausgleich und Dialog mit allen, auch wenn es sich um gegnerische Parteien in einem heißen Krieg handelt.”
Erdogan steht an der Seite der Ukraine
Politisch wäre eine BRICS-Mitgliedschaft der Türkei angesichts von Kriegen und Krisen durchaus vertrackt. Russland soll zwar für eine Aufnahme offen sein – die NATO, wo die Türkei Mitglied ist, ist jedoch der erklärte Hauptfeind Wladimir Putins. Bislang ist kein NATO-Mitglied in der BRICS.
Ankara hat zudem in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht, auf der Seite der Ukraine zu stehen, die Putin seit über 2,5 Jahren mit einem brutalen Angriffskrieg überzieht. Letzten Monat erst hatte Erdogan gefordert, die von Russland besetzte ukrainische Halbinsel Krim an Kiew zurückzugeben. Man stehe “unerschütterlich” für die territoriale Integrität der Ukraine, so der türkische Präsident.
ntv
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